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Neujahr, 1.1.

Neujahrsfest aus religionsgeschichtlicher Sicht

In den meisten primitiven Gemeinschaften kommt Neujahr der Aufhebung des Tabu auf der neuen Ernte gleich, die damit zum allgemeinen Verbrauch freigegeben wird. Die Zeiteinschnitte sind hier durch Rituale bestimmt, die die Erneuerung der Nahrungsreserven regeln und damit den Fortbestand der ganzen Gemeinschaft sichern. Das Sonnenjahr als Zeiteinheit kommt aus Ägypten. Jedoch hat weder die Beweglichkeit des Neujahrsdatums noch die Verschiedenheit der Jahreslänge die grundsätzliche Bedeutung des Endes einer alten und des Beginns einer neuen Zeitperiode bei den verschiedenen Völkern abzuschwächen vermocht. Die Vorstellung vom Ende und Anfang eines Zeitabschnitts gehörte in den weiteren Rahmen der den Gedanken einer Neuschöpfung, d. h. einer symbolischen Wiederholung der Kosmogonie implizierenden periodischen Regeneration alles Lebens. Der Gedanke der periodischen Schöpfung ist seinerseits mit dem Begriff einer zyklischen Erneuerung der Zeit solidarisch.

Das Jahresende ist von bestimmten Ritualen begleitet: Fasten, Waschungen und kollektive - Reinigungs-Zeremonien, Auslöschen und zeremonielles Wiederanzünden des Feuers während des zweiten Festteils, Austreiben der »Dämonen« durch Lärmen, Schreien, Schlagen, Aussenden eines Tieres (der israelitische Sündenbock) oder eines Menschen (Mamurius Veturius in Rom), wodurch die Sünden der Gemeinschaft aus dem Wohngebiet fortgeschafft werden sollen. Oft gibt es zeremonielle Kämpfe zwischen zwei Darstellergruppen, kollektive Orgien oder Maskenzüge, bei denen die Masken Ahnen oder Götter symbolisieren. Vielfach hat sich der Glaube erhalten, dass zum Jahresende die Seelen der Toten auf die Erde zurückkehren und die Lebenden besuchen; sie werden einige Tage mit Aufmerksamkeiten umgeben und danach in feierlicher Prozession zur Dorfgrenze geleitet oder verjagt. Auch die Initiations-Riten der Jungmannschaft haben zeitlich hier ihren Platz. Natürlich trifft man nur selten alle diese Elemente zusammen an. Immerhin ist die Bedeutung der weltweiten Zeremonie als solcher wie die ihrer einzelnen Elemente hinreichend klar. An dem durch das »Jahr« markierten Zeiteinschnitt erlebt man nicht nur das Ende einer bestimmten Zeitspanne und den Anfang einer neuen, sondern darüber hinaus die »Erledigung« des alten Jahres und der vergangenen Zeit. Dies ist auch der Sinn der Reinigungsriten: Verbrennung, Annullierung der Verfehlungen des einzelnen wie der gesamten Gemeinschaft. Die »Regeneration« meint dem Wortsinn nach Wiedergeburt. Die jährliche Austreibung der Sünden, Krankheiten und Dämonen ist im Grunde ein Versuch zur Wiederherstellung der Urzeit, der »reinen« Zeit der Schöpfung. Die rituellen Kämpfe der zwei Figurantengruppen, die Rückkehr der Toten, die Saturnalien, Orgien usw. besagen, dass sich zum Jahresende in der Erwartung des Neujahrs der mythische Übergang vom Chaos zur Kosmogonie wiederholt.

Neujahrsfest aus christlicher Sicht:

Von den sechs in der Kirche des Mittelalters festzustellenden Neujahrstagen wurde nur der 1.1. festlich begangen, aber mit Maskenzügen, Ausschweifungen und abergläubischen Bräuchen, wogegen die Kirche durch Predigten und Konzilsbeschlüsse (z. B. Tours 567) kämpfte; noch im 13./14. Jh. wurde in Frankreich der 1. I. als »Narrenfest« mit parodierten Messen »gefeiert«.

Die Kirche, die zuerst den 1.1. zum Buß- und Fasttag zu machen versuchte, beging die »Weihnachtsoktav« vom 6. Jh. an in Gallien als »Beschneidungsfest« und in Rom als Marienfest. Luther ließ das Jahr mit dem 25.12. beginnen und wollte den 1.1. nur als »Tag der Beschneidung und Namensgebung des Herrn« gefeiert haben (WA 10/I, 1, 504 f.).
Andere Reformatoren (Melanchthon, Brenz) machten ihn (nach 1550) zum christlichen Neujahr: Rückblick und Ausblick geben dem Tag in der ev. Kirche den Charakter eines ernsten Dank- und Bittfestes, ebenso dem »Altjahrsabend« (Nächtlicher Gottesdienst). Es entstehen Neujahrslieder, als erstes EKG 36 von Joh. Zwick (1540). N. und »Tag der Namensgebung« vereinigend, beginnt man das neue Jahr »in Jesu Namen« (EKG 39; 41; 43). Wie die röm. Kirche in ihrer Liturgie weder das Ende des alten noch den Beginn des neuen Jahres berücksichtigt, so versuchen die ev. Agenden in neuester Zeit (K. B. Ritter, Gebete für das Jahr der Kirche, 19482, 71; Kirchagende I/1, 1949, 75; Luth. Agende, 1955, 31), aus dem volkstümlichen christlichen Neujahrsfest wieder ausschließlich den »Tag der Beschneidung und Namensgebung des Herrn« zu machen.

Vgl. Digitale Bibliothek Band 12: Religion in Geschichte und Gegenwart, S. 23181 (vgl. RGG Bd. 4, S. 1419 ff.) (c) J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)]

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