Markschies, C.: Gottes Körper

Als ich ein Kind war, wurde mir gesagt: „Gott kannst du nicht sehen. Er ist unsichtbar.“ Schluss. Aus? Oder doch nicht? Laut landläufiger, durchaus auch filmischen Vorstellungen ist Gott ´der alte Mann mit dem weißen Bart´. Man mag meine kindliche Frage nach Gott und die Vorstellung von Gott als dem alten Mann mit Bart als primitiv und völlig unsachgemäß kritisieren. Die Frage aber bleibt: ist Gottes Sein nur rein geistig zu verstehen, Gott also ein ganz körperloses, jenseitiges Wesen? So gefragt, denkt man systematisch-theologisch. Markschies´ (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Christoph_Markschies) mehr als umfängliche Monographie (der Haupttext umfasst die Seiten 11-431; dazu kommen sage und schreibe fast 350 Seiten Anmerkungen) ist laut seiner eigenen Aussage „eine historische Untersuchung“ (S. 425; vergleiche S. 428). Mit den enormen Mengen an aufgearbeiteten historischen Quellen (zur langen Vorgeschichte seines neuesten Buches siehe das „Vorwort“) bereitet Markschies die beste Voraussetzung, „für die systematisch-theologische [Hervorhebung gm] Diskussion, die ebenso wie im Christentum auch im Judentum und im Islam neu geführt werden muss.“ ( S. 16f) Dafür ist ihm sehr zu danken.

Nach dem einführenden ersten Kapitel („Der Körper Gottes nach dem Ende der Antike“), behandelt der 1962 geborene Berliner Professor für Ältere Kirchengeschichte (Patristik;) im langen zweiten Kapitel die unterschiedlichen (anthropomorphen) Vorstellungen vom Körper Gottes in der Bibel, der antiken Philosophie und der frühen christlichen Theologie. In der Zusammenfassung (S. 110-112) wehrt er sich gegen plakative, monolithische Vereinfachungen „eines deutlich komplizierteren Befundes.“ Diesen breitet er aus.

Die folgenden fünf Kapitel vertiefen und verifizieren das zweite Kapitel; zum Beispiel ist das fünfte Kapitel überschrieben mit: „Der Körper Gottes und die spätantike jüdische Mystik“. Das letzte Kapitel (sieben) ist sehr interessant und sehr wichtig. Denn darin geht es um die Christologie, vor allem um das Verständnis der Inkarnation und die altkirchlichen christologischen Streitigkeiten. Neben vielen, meist unbekannten Vertretern dieser oder jener Richtung nennt Markschies auch Marcion und Ignatius. Man erhält ein lebendiges Bild von den jahrhundertelangen schweren Auseinandersetzungen.

Man lese dieses neue, gelehrte Buch nicht nur als dogmengeschichtliches oder kulturgeschichtliches Lesebuch, sondern auch und vor allem als ein sehr hilfreiches Buch, historisch und gegenwärtig adäquat von Gott zu reden. (gm)


Markschies, Christoph
Gottes Körper
Jüdische, christliche und pagane Gottesvorstellungen in der Antike

2016. 900 S.: mit 15 Abbildungen. In Leinen
ISBN 978-3-406-66866-1
48,00 € inkl. MwSt.

C.H.Beck



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