Fitna

Fitna ist ein dokumentarischer Kurz- und Kompilationsfilm des niederländischen Parlamentsabgeordneten Geert Wilders. Der Film zitiert Aussagen des Korans in Verbindung mit kurzen Filmsequenzen angeblicher Auswirkungen des Islamismus.

Das arabische Wort Fitna (فتنة‎) bedeutet soviel wie Versuchung, Zwietracht aber auch Krieg zwischen Muslimen. Der Film ist zirka fünfzehn Minuten lang. Wilders hatte zuvor den Koran als „faschistisches Buch“ bezeichnet, das man, wie Hitlers „Mein Kampf“, verbieten müsse.

Verbreitung

Am 27. März 2008 gegen 19 Uhr wurde der Film in zwei Versionen auf LiveLeak veröffentlicht. Bisher war kein Fernsehsender zur Ausstrahlung bereit. LiveLeak entfernte den Film am 28. März 2008 von der eigenen Seite, nachdem die eigenen Mitarbeiter mit ernstzunehmenden Morddrohungen konfrontiert wurden. Der Film ist aber mittlerweile auch auf anderen Seiten im Internet abrufbar.

Zumindest auf einigen im Internet kursierenden Kopien wird im Abspann als "offizielle Website" des Films irreführenderweise eine englische Wikipediaadresse genannt, die aber tatsächlich nicht den Film betrifft, sondern einen Überblick über Wikipedia-Artikel zum Thema "fitna" verschafft. Tatsächlich wurde für den Film die Internetseite "www.fitnathemovie.com" eingerichtet, die aber derzeit mit dem Hinweis gesperrt ist, dass geprüft werde, ob der Inhalt der Seite gegen die Nutzungsbedingungen verstoße. Eine filmkritische Website wurde daraufhin unter der sehr ähnlichen Internetadresse "www.fitnathemovie.info" eingerichtet, sie stammt aber nicht von den Filmherstellern.

Der ursprünglich nur auf Niederländisch und Englisch produzierte Film ist nun auch über verschiedene One-Click-Hoster mit (vermutlich unautorisierten) deutschen bzw. französischen Untertiteln erhältlich.

Inhalt

Der Film eröffnet mit der dänischen Karikatur, die Mohammed mit einer Bombe als Turban zeigt; eine Uhr zählt von 15:00 Minuten rückwärts.

Im ersten Teil des Films werden Koranverse zitiert (8:60, 4:56, 47:4, 4:89, 8:39). Dazu werden Bilder von islamistisch motivierten Gewalttaten (11. September, Madrider Zuganschläge und U-Bahn-Anschläge in London), des weiteren Aufnahmen von Hasspredigern, die zum heiligen Krieg gegen Ungläubige oder Christen und Juden aufrufen, und als Ziel eine Weltherrschaft des Islams verkünden, gezeigt.

Der zweite Teil handelt von der „Islamisierung“ Europas. Fälle von antidemokratischen Bestrebungen und Folgen wie z. B. die Behandlung von Frauen und homosexuellen Männern infolge von islamistischen Rechtsvorstellungen in Europa werden gezeigt.

Am Ende des Films wird schriftlich die Aufforderung eingeblendet, die „islamische Ideologie“ zu bekämpfen. Der Zähler vom Anfang ist nun bei Null angekommen, es folgt ein Schnitt auf ein Gewitter mit Donner und Blitz.

Reaktionen vor Veröffentlichung des Films

Der syrische Großmufti Ahmed Badr al-Din al-Hassoun warnte in einer Rede vor dem Europäischen Parlament vor einem „Blutvergießen“, das der Film auslösen werde. Noor Farida Ariffin, malaysische Botschafterin, warnte in einem Interview mit De Volkskrant: „Es wird Dutzende Tote geben“. Sie erinnerte dabei an den Karikaturenstreit. Jaap de Hoop Scheffer sieht in dem Film eine Gefahr für die NATO in Afghanistan. Die Polizei in Amsterdam und Rotterdam wurde in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Botschaften, Organisationen und Unternehmen wurden von der Regierung gewarnt.

Mit der Wirkung des Films hat die niederländische Anti-Terror-Behörde die Erhöhung der nationalen Bedrohungsstufe begründet. Ministerpräsident Jan Peter Balkenende sieht die Gefahr von Boykotten der niederländischen Wirtschaft. Ayaan Hirsi Ali, Drehbuchautorin des islamkritischen Films Submission, sieht Provokation als Motiv des Films und fordert, die Immigrationsdebatte nicht den Extremen zu überlassen.

Die Website des Films wurde am 23. März 2008 vom US-amerikanischen Internetdienstanbieter Network Solutions geschlossen. Auf der Seite waren zuvor der Titel des Films „Fitna“ und der Hinweis auf die baldige Veröffentlichung zu sehen. Network Solutions erklärte nun, es habe zahlreiche Beschwerden gegeben, die zurzeit überprüft würden. Network Solutions teilte mit, die Website geschlossen zu haben, nachdem man von Wilders eine Vorabversion des Films zur Überprüfung angefordert aber keine Antwort erhalten habe. Leon de Winter kritisierte die Abschaltung der Seite als vorauseilende Zensur. Von Seiten deutscher Islamgegner wird der Umstand, dass die von derselben Firma verwaltete Webseite der Hisbollah nicht gegen die Nutzungsbestimmungen verstößt, als Indiz für eine Sympathie der Firma für die Hisbollah gewertet.

Reaktionen nach Veröffentlichung des Films

Aufgrund von „ernsten Drohungen“ hat LiveLeak aus Sorge um die „Leben seiner Mitarbeiter“ das Video von seinen Servern entfernt und anstelle dessen eine offizielle Video-Botschaft eingestellt, mit dem folgenden Wortlaut:

„Following threats to our staff of a very serious nature, and some ill informed reports from certain corners of the British media that could directly lead to the harm of some of our staff, Liveleak.com has been left with no other choice but to remove Fitna from our servers. This is a sad day for freedom of speech on the net but we have to place the safety and well being of our staff above all else. We would like to thank the thousands of people, from all backgrounds and religions, who gave us their support. They realised LiveLeak.com is a vehicle for many opinions and not just for the support of one. Perhaps there is still hope that this situation may produce a discussion that could benefit and educate all of us as to how we can accept one anothers culture. We stood for what we believe in, the ability to be heard, but in the end the price was too high.“

– LiveLeak

In freier deutscher Übersetzung:

„Nach einigen schweren Drohungen gegen unsere Angestellten und einigen schlechtrecherchierten Berichten bestimmter Teile der britischen Medien, die unsere Angestellten unmittelbar schädigen könnten, sieht sich Liveleak.com gezwungen, Fitna von den Servern zu nehmen. Das ist ein trauriger Tag für die Redefreiheit im Netz, aber wir müssen die Sicherheit und Gesundheit unserer Mitarbeiter über alles andere stellen. Wir möchten den tausenden von Menschen aller Hintergründe und Religionen danken, die uns unterstützt haben. Sie wissen, dass LiveLeak.com Träger vieler Meinungen ist und nicht nur eine unterstützt. Vielleicht gibt es noch Hoffnung, dass aus dieser Situation eine Diskussion entsteht, die uns allen hilft und uns zeigt, wie man fremde Kulturen versteht. Wir haben für unsere Überzeugung eingestanden, dass jeder gehört werden muss, aber am Ende war der Preis zu hoch.“

– LiveLeak

In Utrecht wurden am Abend nach der Veröffentlichung an Häuserwänden Parolen wie „De dood voor Wilders“ (Den Tod für Wilders) geschmiert, auch kam es zu Brandstiftungen an zwei Fahrzeugen.

Die niederländische Regierung distanzierte sich von dem Film. Ministerpräsident Jan Peter Balkenende erklärte, er erkenne nicht, dass der Film etwas anderes bezwecke als die Verletzung von Gefühlen. Ungeachtet dessen übergab die iranische Regierung dem niederländischen und – als Vertreter der derzeitigen EU-Ratspräsidentschaft – dem slowenischen Botschafter im Teheraner Außenministerium Protestnoten

Rezensionen

Der Film wird in den Medien überwiegend kritisch gesehen. Spiegel Online bezeichnet den Film als „Pamphlet, eine wüste Collage von Horror- und Zerrbildern des Islam“. Die Süddeutsche Zeitung kritisiert, der Film kläre nicht auf, sondern setze „dem Terrorismus die Hetze entgegen, die weiteren Terror provozieren wird“. Die Zeit urteilt: "Gemessen an diesem „Pamphlet“ ist Hirsi Alis und van Goghs umstrittener Koran-kritischer Film gegen die Unterdrückung der Frauen im Islam (Submission) geradezu ein künstlerisch anspruchsvoller Film-Essay". Focus Online bezeichnet Wilders als "Blonden Hetzer mit Anti-Islam-Mission". Der Zeichner der dänischen Karikatur, Kurt Westergaard, betont, dass er Wilders die Verwendung seines Cartoons nicht genehmigt habe und wehrt sich dagegen, dass seine Zeichnung „aus ihrem ursprünglichen Kontext gerissen wird“. Er kritisiert, dass Wilders stark verallgemeinere und Muslime grundsätzlich als potenzielle Terroristen wahrnehme. Seine Karikatur richte sich hingegen „nicht gegen die muslimische Gesellschaft an sich“, sondern sollte „auf fanatische islamistische Terroristen abzielen“. Die dänische Journalistengewerkschaft beantragt eine einstweilige Verfügung gegen Wilders’ Film.

Der Weltkirchenrat kritisiert den Film heftig. Bei dem Streifen, den man sich im Internet anschauen kann, handele es sich um einen „klaren Fall von Islamophobie“, erklärte der Direktor des Programms für Dialog und Interreligiöse Zusammenarbeit des Weltkirchenrates, Pfarrer Shanta Premawardhana (Genf). Durch die Aneinanderreihung nicht zusammenhängender Bilder schildere Wilders einen gewaltsamen und extremen Islamismus ohne zu versuchen, diesen vom normalen Islam zu unterscheiden, so der Theologe. Extremismus sei ein Problem der meisten Religionen, dem man nur im gemeinsamen Dialog begegnen könne, sagte er und rief Christen und Muslime zu gegenseitigem Respekt auf.

Manche Kommentatoren waren aber auch der Meinung, dass der Film weit weniger provokant oder offensiv sei als erwartet. Die FAZ schreibt z. B.: „Geert Wilders hat kein Symbol des Islams entwürdigt oder herabgesetzt. Es gibt in Fitna – wenn man von einer motivisch genutzten dänischen Karikatur (die Turbanbombe) absieht – keine Verächtlichmachung des Propheten, des Korans oder der gläubigen Menschen. Es ist vielmehr eine sehr geschickte, suggestive Collage des Hasses der Islamisten gegen den Rest der Menschheit.“

Thorsten Dörting sagte in Spiegel Online „Wozu die Aufregung? Beim westlichen Publikum wird der holländische Rechtspopulist Geert Wilders mit seinem Anti-Islam-Video auf Unverständnis stoßen. Denn sein filmisches Pamphlet bedient sich genau jener Bilder und Methoden, die sonst nur Islamisten benutzen.“

Die Muslimin Fatma Aykut rezensierte in Spiegel Online: "Der Filmtitel "Fitna" bedeutet übersetzt "Chaos" – und das ist der Film bis zur zehnten Minute. Ein loses Aneinanderreihen von Filmsequenzen [..]. Was ist eigentlich der Erkenntnisgewinn aus diesem Film? Was will der Autor? Doch dann, nach der zehnten Filmminute, wird sein Ziel glasklar. Wilders hat nicht die Islamisten aus Afghanistan, Pakistan oder dem Irak im Visier, sondern die Muslime in Europa.[..] Das Verzwickte an diesem Film ist: Er zeigt einen Aspekt der muslimischen Realität in Europa – und zwar blöderweise auch noch dokumentarisch. [..]Nur hält er bewusst einige wichtige Informationen zurück. Die hohe Arbeitslosigkeit unter Migranten, die geringen Bildungschancen, den alltäglichen Rassismus, dem viele, vor allem männliche Migrantenkinder, ausgesetzt sind."

Das Herausreißen einer Buchseite wird mit dem Hinweis versehen, dass es sich um eine Seite des Telefonbuchs handele. Der Sinnzusammenhang der Szenenabfolge suggeriert zunächst das Herausreißen einer Koran-Seite. Der Islamkritiker Henryk Broder kritisiert, dass sich die niederländische Regierung für den Film entschuldigt und die niederländischen Fernsehsender eine Ausstrahlung abgelehnt haben. In der Kritik am Film sieht er eine vorauseilende Appeasement-Politik. Auch kritisiert er die Bezeichnung Wilders als Rechtspopulist als „diffarmierend“.

Imam Mohammad Al-Hayek setzte sich gegenüber ABC News mit den in Fitna zitierten Koranversen auseinander und vertritt die folgenden Interpretationen: Der Vers 8:6[0], wie auch 47:4, beziehe sich auf die Verteidigung im Krieg; ein Angriffskrieg auf Andersgläubige sei ausgeschlossen. Der folgende Vers 8:61 fordere explizit dazu auf, Frieden zu schließen, wenn die Gegner ihn auch wollen. 8:39 fordere Muslime auf, sich gegen religiöse Verfolgung zu wehren. Der Film verwende das Wort „dissension“ (Meinungsverschiedenheit), wo „persecution“ (Verfolgung) die bessere Übersetzung wäre. Vers 4:56 beschreibe Höllenqualen im Jenseits. Vers 4:89 schließlich beziehe sich auf Verräter während der Schlacht von Uhud.

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