Codex Sinaiticus

Der Codex Sinaiticus vereint & online

Der Codex Sinaiticus ist eines der bedeutendsten Bücher der Welt. Vor über 1600 Jahren mit Hand geschrieben, enthält es die christliche Bibel auf Griechisch mit dem vollständigen Neuen Testament. Der mit Anmerkungen reich versehene Text besitzt außergewöhnlichen Wert für die Geschichte der Bibel. Die Handschrift ist als das umfangreichste Buch, das wir aus der Antike besitzen, ein Monument der Buchgeschichte!

Seit dem 6./7. Juli 2009 sind die vier verschiedenen Teile des berühmten Codex Sinaiticus, der ältesten vollständigen Bibelhandschrift in griechischer Sprache, wieder vereint - als digitalisierte Dokumente. Ergänzt wird diese virtuelle Zusammenführung zukünftig durch eine ausführliche Darstellung der Entdeckungsgeschichte von Prof. Dr. Christfried Böttrich von der Universität Greifswald, die zahlreiche neu recherchierte Archivalien einbezieht.

http://www.codexsinaiticus.org/de/

Inhaltsverzeichnis:
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Hintergrund

Der Codex Sinaiticus ist ein ägyptisches Bibel-Manuskript aus dem 4. Jahrhundert. Der Kodex enthält große Teile des Alten und ein vollständiges Neues Testament. Er gehört im Wesentlichen zum Alexandrinischen Texttyp.

Der Codex wurde am 7. Februar 1859 von Konstantin von Tischendorf im Katharinenkloster am Berg Sinai (Ägypten) entdeckt, als er im Auftrag des russischen Zaren Alexander II. nach alten Handschriften suchte. Über die Art und Weise, wie Tischendorf in den Besitz der Schriften kam, gibt es unterschiedliche Aussagen.


Der Codex

Format
Der Codex Sinaiticus ist eine besonders großformatige Bibelausgabe. Für die Pergamentherstellung waren die Häute von 700 Ziegen nötig, was schon in der damaligen Zeit ein Vermögen bedeutete. Einige Forscher halten sie für eines der fünfzig Exemplare, die Kaiser Konstantin I. als Förderer der christlichen Kirche grob um 320 in Auftrag gab.

Der Codex besteht aus 346 1/2 folia, 199 des Alten und 147 1/2 des Neuen Testaments. Er ist die einzige vollständige Handschrift des Neuen Testamentes in Unzial-Schrift.

Inhaltlich umfasst der Codex Sinaiticus einen Großteil des Alten Testaments, das gesamte Neue Testament von Matthäus bis zur Offenbarung, sowie zwei apokryphe Schriften, den Hirt des Hermas und den Brief des Barnabas.

Die Reihenfolge der neutestamentlichen Bücher ist: Die vier Evangelien, die Briefe des Paulus, die Apostelgeschichte, die restlichen Briefe und die Offenbarung des Johannes.

Text
Der Text des Codex Sinaiticus wird von Bruce Metzger im Wesentlichen zum alexandrinischen Texttyp gezählt, mit einem deutlichen Einschlag des westlichen Texttyps, so zu Beginn des Johannesevangeliums (Joh 1,1 bis 8,38).

Erstmals veröffentlicht wurde der Text des Codex Sinaiticus im Jahr 1862, und zwar von Tischendorf zum 1000. Jubiläum der russischen Monarchie in einer vom Zar Alexander II. finanzierten prachtvollen vierbändigen Faksimileausgabe.

Die definitive Publikation des Codex erfolgte durch Professor Kirsopp Lake 1911 und 1922 bei Oxford University Press aufgrund von Fotos als Faksimile.

Nachdem der Codex 1933 nach England ins Britische Museum gekommen war, wurde er von dortigen Paläologen gründlichst untersucht, unter anderem mit Ultraviolett-Lampen. H. J. M. Milne und Th. Skeat gaben die Ergebnisse 1938 heraus (Scribes and Correctors of Codex Sinaiticus), die zusätzliche Informationen über den Kodex bekanntgaben.

Im Textapparat wird der Codex Sinaiticus gewöhnlich mit einem א (Aleph) bezeichnet. Neben dem eigentlichen Text enthält der Codex Sinaiticus noch mehrere Ebenen von Korrekturen: Der ursprüngliche Text wurde noch im Skriptorium von Korrektoren korrigiert. Diese Textvarianten werden mit א a bezeichnet. Später, wahrscheinlich im 6. oder 7. Jahrhundert, brachte eine Gruppe von Korrektoren in Caesarea zahlreiche Änderungen im Text des Alten und des Neuen Testaments ein. Diese Änderungen werden als א ca und א cb bezeichnet. Gemäß einem Kolophon am Ende der Bücher Esra und Esther war ihre Basis „ein sehr altes Manuskript, das durch die Hand des heiligen Märtyrers Pamphilus († 309) korrigiert worden war“. Laut seinem Schüler Eusebius von Caesarea hatte Pamphilus eine besonders reichhaltige Bibliothek von biblischen Kodizes.

Bedeutung
Diese Bibelhandschrift aus der Mitte des 4. Jahrhunderts nach Christus gilt heute als eine der wichtigsten Textzeugen für das Neue Testament. Es ist zugleich die älteste Handschrift der Welt, die das Neue Testament vollständig enthält.

Aus textkritischer Sicht ist dieser Codex von enormer Bedeutung; er gehört zusammen mit dem Codex Vaticanus, von dem er sich nur unwesentlich unterscheidet, zu den bedeutendsten erhaltenen Bibelmanuskripten überhaupt.

In den letzten Jahrzehnten hat vor allem der Wüstensand Ägyptens noch viele weitere Bibelhandschriften hervorgebracht, wie die Bodmer- und Chester Beatty Papyri, aber nie mehr ein ganzes vollständiges Neues Testament. Durch diese Funde kann der Bibeltext für das Neue Testament von Textforschern bis zu Beginn des 2. Jahrhunderts zurückverfolgt werden.


Geschichte des Manuskripts

Entdeckung
Der deutsche Theologe Tischendorf machte sich im Mai 1844 zu einem der ältesten noch erhaltenen Klöster der Welt auf, zum Kloster St. Katharinen auf der Sinai-Halbinsel, um dort nach alten Handschriften zu suchen. Die Mönche waren gastfreundlich, doch über die Bestände in der Bibliothek konnte keiner der Brüder genaue Auskunft geben. So machte sich Tischendorf selbst an die Arbeit und untersuchte die Bestände der Bibliothek, wo er 129 großformatige Pergamentblätter entdeckte. Der griechische Text stammte aus dem Alten Testament und die Buchstabenform ließ eine Datierung auf die Mitte des 4. Jahrhunderts zu. 43 Blätter dieser Handschrift durfte der deutsche Gelehrte nach Leipzig mitnehmen, wo er diese 1846 veröffentlichte. Sie werden bis heute in der dortigen Universitätsbibliothek aufbewahrt.

Den Fundort dieser alten Handschrift gab Tischendorf aber nicht preis, da er hoffte, die restlichen 86 Blätter noch erwerben zu können. Bei einem Besuch im Katharinenkloster 1853 waren die Blätter unauffindbar, auch bei einem weiteren Besuch 1859 wusste keiner der Mönche etwas vom Verbleib der uralten Bibelhandschrift. Nach Tischendorfs Bericht wurde er am Vorabend seiner Abreise vom Verwalter des Klosters in seine Zelle eingeladen, da dieser dem Forscher eine griechische Bibel zeigen wollte. Als Tischendorf die in ein rotes Tuch eingepackte Bibel öffnete, sah er vor sich nicht nur die vermissten 86 Pergamentblätter liegen, sondern noch viele weitere.

Weitere Geschichte der Manuskripte
Die Handschrift wurde bis 1933 in Sankt Petersburg (Leningrad) aufbewahrt, dann verkaufte die sowjetische Regierung den größten Teil an das British Museum in London; 100.000 £ hatten die britische Regierung und private Institutionen für die spektakuläre Transaktion aufgebracht.

Die Bibelhandschrift befindet sich noch heute in der British Library (Add. Ms. 43 725) und ist dort ausgestellt. Andere Teile liegen in der Nationalbibliothek Sankt Petersburg, der Universitätsbibliothek Leipzig und der Bibliothek des Katharinenklosters auf dem Sinai.

Inzwischen sind weitere Seiten dieser Handschrift aufgetaucht: 1975 wurde im Katharinenkloster nach einem Brand eine bisher vergessene Kammer entdeckt. Ihr Inhalt: 47 Kisten voller Fragmente, darunter 15 Blätter aus dem Codex Sinaiticus, die aber noch nicht veröffentlicht sind.

Im Dezember 2006 wurde ein Gemeinschaftsprojekt der British Library, der Universitätsbibliothek Leipzig, der Russischen Nationalbibliothek und des Katharinenklosters vorgestellt, den gesamten Codex zu digitalisieren, im Internet zur Verfügung zu stellen und als Faksimile zu publizieren. Im Mai 2008 wurden 43 digitalisierte Seiten veröffentlicht, seit Ende Juli 2008 ist der erste Teil des Codex unter der Adresse www.codex-sinaiticus.net online zugänglich. Bis zum Sommer 2009 soll der gesamte Codex virtuell vereint sein.

Kontroversen
Während des Projektes wurden die Archive in Moskau durchgesucht und die alten Zarenakten gefunden ! Darunter die Schenkungsurkunde der Mönche. Diese ist bisher leider nur auf russisch veröffentlicht.

Prof. Boettrich veröffentlicht einen Gesamtaufsatz in Kürze dazu und Alexander Schick 2011 ein ausführliches Buch dazu. Vorab:

Die abenteuerliche Entdeckungsgeschichte des Codex Sinaiticus war bislang mit einer Reihe von Unklarheiten behaftet. Vor allem die Person Tischendorfs geriet dabei immer wieder in das Kreuzfeuer der Kritik. Dass die Handschrift gestohlen bzw. unrechtmäßig nach St. Persburg gebracht worden sei, begründete man mit ihrem Charakter als einer Leihgabe. Von Seiten des Klosters wurde auf ein entsprechendes Dokument verwiesen, dass seit 1964 auch im Druck zugänglich ist. Das Faktum einer Schenkung indessen zog man zunehmend in Zweifel. Im Rahmen des Digitalisierungsprojektes fanden deshalb noch einmal umfangreiche Recherchen in russischen, englischen und deutschen Archiven statt, die eine Fülle neuen Materials zutage förderten. Darunter befinden sich auch die in Moskau entdeckten und 2007 publizierten Schenkungsdokumente sowie zahlreiche Schriftstücke, die eine präzise Rekonstruktion des Verkaufes nach London gestatten. Auf der Basis dieses neuen Materials hat Prof. Dr. Christfried Böttrich von der Universität Greifswald, der seit Jahren mit den Leipziger Nachlässen Tischendorfs befasst ist, die Entdeckungsgeschichte des Codex Sinaiticus neu geschrieben. Diese bislang detaillierteste Darstellung wird in Kürze auf der Website des Projektes www.codex-sinaiticus.neterscheinen (deutsch, englisch, russisch, griechisch). Damit verbindet sich auch die Hoffnung, jenen über lange Zeit schwelenden Konflikt zu überwinden und zu einer neuen, gemeinsamen Sicht auf die Umstände der Entdeckung und des Transfers dieser einzigartigen Handschrift nach Leipzig, St. Petersburg und London zu gelangen.“

Siehe: http://idw-online.de/pages/de/news325115

Hinweis:
Der Artikel beruht auch auf Material und Arbeiten von Alexander Schick (www.bibelausstellung.de). Wir danken für seine freundliche Unterstützung!


Weblinks


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