Sie sind hier: Kirche & Theologie im Web » Service » Bücher » BUCHEMPFEHLUNGEN
Zu meiner großen Verwunderung bieten die beiden großen theologischen Standardlexika RGG und TRE rein gar nichts zu der Person, der der junge Historiker seine Doktorarbeit widmete: Ottilie Wildermuth (1817-1877). Sie lebte die meiste Zeit ihres Lebens in Tübingen und war Ehefrau und Mutter, Bürgerin und Schriftstellerin.
Im Internet liest man kurz und treffend: ihre Briefe und „Beschreibung schwäbischer Pfarrhäuser, das sind Berichte mitten aus dem damaligen schwäbischen Leben.“ Sie verfasste eine Unmenge kleiner Erzählungen, und von ihr wurden bis zu ihrem 100.Geburtstag 2,2 Mill. Bücher verkauft. Damit war sie eine der meistgelesenen deutschsprachigen Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts. Ihre Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und erschienen bis weit in das 20.Jahrhundert in hunderten Ausgaben. Sie wurde von angesehenen Literaturkritikern, hohen Adligen und bildungsfernen Schichten gleichermaßen geschätzt. Und sie wird – damit schließt Schilling auf S. 377 mit einem Zitat von 1856 sein zusammenfassendes Fazit: „´Diese Geschichten werden noch in 300 Jahren manches Herz erfreuen...´“. Doch es kam anders. Mit dem Ende des Kaiserreiches brach eine neue, so ganz andere Zeit an. Schilling erzählt in seinem Vorwort gleich am Anfang von zwei Reaktionen, die er bekam, wenn er von seinem Projekt berichtete. Entweder „nie gehört“ oder „Das Thema ist doch längst abgegrast.“
Wie bedeutend und wer diese Tübinger Bürgerin wirklich war, das zeigt Schilling sehr, sehr genau und präzise. In seiner wissenschaftlichen Studie wertet Schilling Wildermuths Tagebucheinträge aus 30 Jahren und mehr als 3000 Briefe aus; S. 385-428 sind die Quellen und reichhaltige Literatur gelistet. Nicht umsonst erhielt er dafür nicht nur den Doktortitel, sondern darüber hinaus den Johannes Brenz-Preis des Vereins für württembergische Kirchengeschichte.
Nicht unwichtig: Schilling schreibt sachlich, nüchtern und korrekt, aber zugleich leserfreundlich. So ist ihm und seiner Protagonistin eine breite Leserschaft zu wünschen. (gm)
Jonathan Schilling
Bürgerliches Leben zwischen literarischem Markt und christlicher Norm
Ottilie Wildermuth (1817–1877) als Erfolgsschriftstellerin
Bürgertum. Neue Folge. - Band 026
2025
gebunden
438 S.
80,-- €
Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf „Alle erlauben“ erklären Sie sich damit einverstanden. Klicken Sie auf Einstellungen für weiterführende Informationen und die Möglichkeit, einzelne Cookies zuzulassen oder sie zu deaktivieren.