Biermann-Rau, S.: Pfarrerin mit Frau
Aufs kürzeste, in einem Satz und mit einem dreimaligen sehr verstärkt: ein sehr persönliches Buch, verfasst von einer sehr bedächtigen und vorsichtigen Person und ein sehr ehrliches Buch. Einen etwas genaueren Eindruck vermitteln Titel und Untertitel. Des weiteren diese fünf Punkte:
- sehr persönlich, weil es um die Sexualität der Verfasserin geht; nach ihrer Scheidung von einem Mann lernt sie eine Frau kennen und lieben. Das Pikante dabei: Als Pfarrerin ist sie eine öffentliche Person, kann aber nicht wie Klaus Wowereit oder Anne Will selbstbewusst an die Öffentlichkeit treten (vgl. S. 73).
- sehr bedächtig und vorsichtig, weil sie mit B (so nennt sie ihre Partnerin) erst einmal in einer Fernbeziehung lebt, diese im schwäbischen Albstadt-Ebingen, sie in Apolda (Thüringen), wo sie als Gastpfarrerin Dienst tut.
- sehr ehrlich, weil man an keiner Stelle das Gefühl bekommt, dass da mit etwas hinterm Berg gehalten wird. Biermann-Rau wahrt die Intimität und gewinnt gleichzeitig immer mehr Offenheit und Mut. Darin gleicht ihr Verhalten der kirchlichen Schwulen- und Lesbenbewegung.
- Alles spielt sich im kirchlichen Kontext der eher konservativen württembergischen Landeskirche ab. Während das Thema Homosexualität seit der Aufhebung von § 175 gesellschaftlich viel schneller Akzeptanz gewann und sich dies auch gesetzlich niederschlug, ging es gesamt- und binnenkirchlich nur im „Pilgerschritt“ voran, d.h. „zwei vor, eins zurück und auch mal umgekehrt.“ (S. 38) Dieses lesbische Paar erlebte sich und ihre Liebe in beiden Kontexten, durchaus auch 1.Korinther 13,13 nachlebend. Die Verfasserin beschreibt und dokumentiert dies vorbildlich (152 Anmerkungen und fast zwei Seiten Literatur). Deshalb geht ihr Buch weit über das Persönliche hinaus.
- Schade finde ich, dass B überhaupt nicht zu Wort kommt. Man erfährt nicht viel mehr, als dass sie Kirchenmusikerin ist. (gm)
Sybille Biermann-Rau
Pfarrerin mit Frau
Eine (un)mögliche Geschichte
2023
Taschenbuch
160 S.
14,-- €
Wichern-Verag Berlin