Schell, Maximilian / Anselm, Reiner / Krippner, Friederike: Gerechter Friede auf dem Prüfstand

Mit Gerechter Friede auf dem Prüfstand legen Maximilian Schell, Reiner Anselm und Friederike Krippner einen äußerst aktuellen und zugleich tiefgründigen Sammelband vor, der das Leitbild des gerechten Friedens in den Blick nimmt – gerade in Zeiten, in denen die globalen Machtverhältnisse, demokratische Strukturen und normative Ordnungen starkem Wandel unterliegen.

Ein großer Gewinn des Buches ist seine Interdisziplinarität: Die Beiträge stammen aus einem öffentlichen Konsultationsprozess, der 2023 und 2024 von vier evangelischen Akademien durchgeführt wurde. Dadurch spiegeln die Beiträge nicht nur theoretisch-theologische Überlegungen wider, sondern auch politische, historische und internationale Perspektiven.

Theologisch ist besonders beeindruckend, wie der Band die Spannung zwischen Idealität und Realpolitik angeht: Der „gerechte Friede“ wird nicht idealistisch verklärt, sondern reflexiv unter die Lupe genommen. Fragen wie die Legitimität von Selbstverteidigung, Bündnisverpflichtungen oder Abschreckung werden nicht ausgeklammert, sondern mit theologischer Schärfe diskutiert. Gleichzeitig bleibt das Ziel eines Friedens, der mehr ist als die bloße Abwesenheit von Gewalt, zentral – eine Kernaussage christlicher Friedensethik, die den Frieden mit Gerechtigkeit verbindet.

Ein weiterer Pluspunkt ist der kritische Blick auf post- und dekoloniale Thematiken: Der Band nimmt die Perspektiven von De- und Postkolonialismus ernst, was zeigt, dass gerechter Frieden heute nicht nur als westliches Konzept verstanden werden darf, sondern auch im Kontext globaler historischer Ungerechtigkeiten gedacht werden muss.

Historisch liefert der Band tiefe Einblicke in die Entwicklung des Friedensethik-Ideals und verknüpft vergangene Theologien mit den Herausforderungen der Gegenwart. Systematische Analysen runden das Bild ab und bieten Leser:innen sowohl Orientierung als auch Impulse, um eigene Positionen weiterzuentwickeln.

Darüber hinaus beeindruckt der Band durch seinen praktischen Relevanzbezug: Er ist nicht nur ein akademisches Werk, sondern ein Dialogbeitrag für Kirche, Politik und Gesellschaft. Gerade in einer Zeit, in der normative Ordnungen ins Wanken geraten und die Frage nach legitimen Ordnungsstufen des Friedens neu gestellt wird, bietet dieses Lesebuch eine fundierte theologische Diskussionsgrundlage.

Formal und methodisch überzeugt das Werk ebenfalls: Auf etwa 384 Seiten entfalten ausgewiesene Expert:innen ihre Argumente, und die Herausgeber strukturieren die Vielzahl der Beiträge so, dass ein roter Faden erkennbar bleibt – von Hinführungen über systematische Reflexionen bis zu global vergleichenden Perspektiven.

Fazit: Gerechter Friede auf dem Prüfstand ist ein herausragendes theologisches Werk, das christliche Friedensethik mutig in die Gegenwart überträgt. Es hält den Anspruch des gerechten Friedens nicht nur als Ideal, sondern als herausforderndes, lebendiges Konzept hoch. Wer sich mit den aktuellen Fragen von Ethik, Theologie und Politik auseinandersetzt, findet in diesem Lesebuch eine reichhaltige, anspruchsvolle und ermutigende Lektüre.

Schell, Maximilian / Anselm, Reiner / Krippner, Friederike
Gerechter Friede auf dem Prüfstand
Ein Lesebuch zu gegenwärtigen Suchprozessen evangelischer Friedensethik
Reihe: Forum Ethik
Band: 2

ISBN 978-3-374-07940-7
Paperback
Seitenzahl: 384
45,00 €

Evangelische Verlagsanstalt Leipzig