Zuchtriegel, Gabriel: Pompejis letzter Sommer

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Mit Pompejis letzter Sommer legt der Archäologe Gabriel Zuchtriegel, seit 2021 Generaldirektor des Archäologischen Parks von Pompeji, ein ebenso gelehrtes wie mitreißend erzähltes Buch vor. Der 1981 in Weingarten geborene deutsch-italienische Klassische Archäologe, der zuvor bereits in Paestum und Velia Verantwortung trug, gehört zu den profiliertesten Vertretern einer Archäologie, die historische Präzision mit erzählerischer Leidenschaft verbindet.

Ein letzter Sommer – lebendig rekonstruiert

Im Zentrum des Buches steht der Spätsommer des Jahres 79 n. Chr., kurz vor dem Ausbruch des Vesuvs. Zuchtriegel rekonstruiert diesen „letzten Sommer“ nicht als bloße Katastrophenchronik, sondern als dichte, atmosphärische Nahaufnahme einer römischen Stadt kurz vor ihrem Untergang.

Anhand alter und neuer Grabungsbefunde – von Graffiti über Hausgrundrisse bis zu Essensresten – erschließt er den Alltag Pompejis: das Leben von Freien und Unfreien, die politischen Machtverhältnisse, das Vergnügen in Tavernen und Thermen, die Konflikte hinter eleganten Hausfassaden. So entsteht ein Panorama, in dem Leserinnen und Leser den Geruch der Garküchen, den Lärm der Wagenräder und den Schatten der anstehenden Katastrophe förmlich spüren. Rezensenten betonen, wie anschaulich er dabei erzählt und „in diese Welt hineinzieht“, ohne die wissenschaftliche Sorgfalt preiszugeben.

Die „Götter, die die Welt verließen“ – religiöse Umbrüche

Besonders originell ist der religiös-kulturgeschichtliche Zugriff. Zuchtriegel zeigt, dass in Pompeji längst „brodelte“, bevor der Vesuv ausbrach: Die traditionellen Götterkulte hatten an Überzeugungskraft verloren, neue Kulte – darunter der Isis-Kult – und die Bewegung um den galiläischen Wanderprediger Jesus gewannen an Boden.

Der Untertitel „Als die Götter die Welt verließen“ ist somit bewusst doppeldeutig: Er verweist einerseits auf das Empfinden der Zeitgenossen, deren göttliche Schutzmächte in der Katastrophe zu versagen schienen; andererseits auf eine tiefere „spirituelle Revolution“, die das Abendland von polytheistischen Kulten hin zum Christentum führte. Zuchtriegel interpretiert diese Umbruchzeit, indem er den Blick besonders auf die „Menschen auf der Schattenseite“ richtet – die armen Freien, die Sklaven, die sozial Unfreien – und fragt, welche Hoffnungsangebote ihnen die neue Bewegung machte.

Hier wird das Buch auch theologisch und philosophisch interessant: Es ist eine Archäologie der Fragen nach Sinn, Gerechtigkeit und Hoffnung. Die Katastrophe von Pompeji erscheint nicht nur als Naturereignis, sondern als Brennglas für die Fragilität religiöser Ordnungen und die Sehnsucht nach einem Gott, der sich den Schwachen zuwendet.

Stil: Wissenschaft mit erzählerischer Eleganz

Kritiken heben immer wieder Zuchtriegels Stil hervor: klar, bilderreich, gelegentlich fast romanhaft, ohne ins Fiktionale abzugleiten. Er erklärt komplizierte archäologische Befunde so, dass sie auch für Nicht-Fachleute verständlich bleiben, und verknüpft sie mit erzählerischen Miniaturen – etwa wenn ein unscheinbares Graffito zur Spur einer Liebesgeschichte oder eines Wahlkampfes wird.

Diese Verbindung von Forschungsbericht und Erzählkunst macht das Buch zu einem idealen Einstieg in die aktuelle Pompeji-Forschung, aber auch zu einer Lektüre, die lange nachhallt. Man spürt, dass hier jemand schreibt, der „auf dem schönsten Archäologenposten der Welt“ nicht nur verwaltet, sondern erzählen möchte, was er sieht.

Pompejis letzter Sommer ist kein trockener Grabungsbericht, sondern eine eindrucksvolle „Spiritualgeschichte“ einer Stadt am Rand des Untergangs. Zuchtriegel erklärt anschaulich, „wie es zur größten spirituellen Revolution des Abendlandes kommen konnte“ – von den alten Göttern hin zu einem neuen Gottesbild, in dem die Armen und Unfreien ins Zentrum rücken.

Für historisch Interessierte, für Theologinnen und Theologen, für alle, die verstehen wollen, wie Religion, Macht und Alltag ineinandergreifen, ist dieses Buch eine lohnende Lektüre: wissenschaftlich fundiert, erzählerisch stark, geistig anregend.

Gabriel Zuchtriegel
Pompejis letzter Sommer
Als die Götter die Welt verließen. Ein neuer Blick auf die verschüttete Stadt am Vesuv.

2025.
Gebunden
Preis ca. 26,– €.
ISBN 9783549110003

Propyläen Verlag, Berlin

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